WELT | Ein Wein mit Pfeffer und Paprika

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Er gilt als das Nationalgetränk der Österreicher. Ein Winzer und Weinhändler haben sich nun zusammengetan, um einen Grünen Veltliner für das internationale Publikum zu kreieren – ein riskantes Unterfangen.

Der Grüne Veltliner ist in Deutschland erstaunlich verbreitet – dabei werden im Land selbst nur ein paar Hektar davon angebaut. Die ertragreichste österreichische Weißweinsorte, eine ohne Menschenzutun entstandene Kreuzung aus Traminer und St. Georgener, hat ihre Heimat in Osteuropa, im Kakanien Habsburgs. Grüne Veltliner: Das sind recht würzige, pfeffrige Weine mit Paprika im Hintern. Grüner Veltliner: Das ist die Piroschka unter den Trauben – hoi, hossa, schnalz!

Was Grüne Veltliner selten sind: leichte und trockene Weißweine wie etwa die jungen deutschen Moselrieslinge. Sie haben stets etwas Schmalz im Gepäck, was sie mit im Tonneau ausgebauten, weißen Burgundern vergleichbar macht. Unvergleichlich aber sind die Weingärten: Grüner Veltliner wird ungefähr auf einem Tausendstel jener Flächen ausgebaut, die weiße Burgundersorten belegen. Das weltbekannte Erbe Kakaniens (neben Sachertorte und Mozartkugel) ist also ein Produkt, das nur limitiert hergestellt werden kann. Würde die ganze Welt Grüne Veltliner trinken wollen, dann säßen die Österreicher schnell auf dem Trockenen; ein Bürgerkrieg um die Verteilung steirischer Sauvignons wäre die Folge.

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Laurenz Moser V. und Markus Huber wollen genau das: Also nicht den Bürgerkrieg um die Sauvignons, sondern dass die Welt Grünen Veltliner entdeckt und inbrünstig zu lieben beginnt. Deswegen wollen der Önologe und Weinhändler Moser, der ein Weingut in China leitet, das seinen Namen trägt, und der Traisentaler Winzer Huber eine neue Art Grüner Veltliner auf den Markt bringen, einen Wein namens „New Chapter“, der eigens für den Export kreiert wurde und deshalb mehr dem internationalen Geschmack als den Vorlieben der Österreicher entsprechen soll. Angesiedelt ist das „Erst mal 50.000 Flaschen“-Projekt in der 30-Euro-Liga – nicht unriskant also.

Eher dem Terroir als der Frucht verpflichtet

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Ich trinke den Wein mit seinen Produzenten in einer Wohnung in Oberstaufen im Allgäu, wo Moser einen Teil des Winters verbringt. Man sitzt mit negativem Testergebnis zu Tisch, Huber schenkt den „New Chapter“ in dünnwandige Zalto-Gläser ein. Moser spricht, Huber zuvorkommend, von „Frische, Reife und Kraft“, Komponenten, „die allesamt zusammenkommen, wenn man die Parzellen einzeln ausbaut, die Weine bewertet und danach erst cuvéetiert, wie es im internationalen Spitzenweinbau üblich ist“. Huber erzählt: „Meine Veltlinergärten stehen meist auf Kalkboden, der die Weine des Traisentals prägt. Kalk gibt es auch im Burgund; wir haben den ‚New Chapter‘ also eher dem Terroir als der Frucht verpflichtet, eher der Eleganz als dem Rustikalen.“

Das biologisch gereifte Lesegut wird schonend gepresst und liegt dann für wenige Monate im Stahltank sowie in burgundischen 500-Liter-Fässern, die die internationale Weinbaumoderne verkörpern – vor allem jene des französischen Fassbinders Damy.

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In der Nase gleich Steinobst, Quitte, weißes Mehl, gering Kräuter und tatsächlich sehr gering Pfeffer und Paprika. Im Mund zurückhaltend in der Frucht, sehr elegant, gering, aber blendend ein Tick vom superfeinen Holz-Toasting, im Schluck dann das erste Mal richtig deutlich Pfeffer und Paprika. Ein Wein, von dem man gleich mehr trinken will, aber das ist ja auch das Konzept. Da ist aber dieser kleine Einwand im Hinterkopf: Ist der Wein nicht einen Tick zu „gemacht“? „Diese Floskel ist irgendwie Humbug“, erwidert Moser. „Jeder Wein ist gemacht.“

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